Pipeline Nord Stream 2: Doppelt so viel russisches Gas für Deutschland

2022-12-02 17:34:48 By : Mr. raven hu

Warum sehe ich FAZ.NET nicht?

Permalink: https://www.faz.net/-gqe-9er2r

Aktuelle Nachrichten aus Politik, Wirtschaft, Sport und Kultur

Herausgegeben von Gerald Braunberger, Jürgen Kaube, Carsten Knop, Berthold Kohler

Rohre für Nord Stream 2: Ein Mitarbeiter prüft die tonnenschweren Rohre für die künftige Ostsee- Erdgasstraße. Bild: dpa

Die Pipeline Nord Stream 2 ist Amerika ein Dorn im Auge. Beteiligten Konzernen drohen Sanktionen. Doch Putin und die deutsche Industrie machen Druck. Entscheidend könnte etwas anderes sein.

Permalink: https://www.faz.net/-gqe-9er2r

D as erste Rohr ist längst verlegt, der Zeitplan straff: Ende 2019 soll die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 fertig sein. Mit jährlich rund 110 Milliarden Kubikmetern kann dann doppelt so viel russisches Gas in die Lubminer Heide fließen wie bisher – und der deutsche Jahresverbrauch ziemlich genau gedeckt werden. Bleibt er konstant, blüht Deutschland dank weiterer Pipelines aus Norwegen und den Niederlanden womöglich Gas im Überfluss.

Glänzende Aussichten, so scheint es. Doch es gibt da ein Problem namens Putin. Hinter Nord Stream2 steckt der russische Staatskonzern Gasprom und damit der russische Staatschef; die deutschen Unternehmen Uniper und Wintershall sind neben Shell, der österreichischen OMV und dem französischen Energiekonzern Engie nur Finanzinvestoren. Dass Russland Kapazitäten entwickelt, Deutschlands Gasbedarf weitgehend zu decken, stößt der amerikanischen Regierung auf. Präsident Donald Trump sagte vorige Woche, es sei „sehr unglücklich für das deutsche Volk, dass Deutschland Milliarden und Abermilliarden Dollar für seine Energie an Russland zahlt“. Nord Stream 2 sei aus diesen Gründen eine „schlechte Sache“. Der Missmut über die Ostesee-Pipeline hat allerdings Tradition in Washington. Zuletzt attackierte Barack Obama im Einklang mit Polen und der Ukraine mit scharfen Worten das 9,5 Milliarden Euro teure Vorhaben. Der Tenor ist stets derselbe: Westeuropa begebe sich energiepolitisch in die Abhängigkeit vom Feind Russland.

Noch schweben deshalb amerikanische Sanktionen wie ein Damoklesschwert über dem Projekt. Im schlimmsten Fall würden die europäischen Unternehmen vor die Wahl gestellt, Nord Stream 2 entweder weiter zu finanzieren und ihr Amerika-Geschäft aufzugeben – oder ihre Unterstützung abzublasen und sich dem Druck aus Washington zu fügen. Die russische Führung hat dieses Szenario schon durchgespielt. Offenbar soll Putin die Bundesregierung im August darüber informiert haben, Nord Stream 2 notfalls allein zu finanzieren; ein Kremlsprecher bestätigte diese Option. Die deutsche Industrie dagegen will die zweite Röhre. Das hat Industriepräsident Dieter Kempf nun klargestellt. „Ich habe ein großes Problem, wenn sich ein dritter Staat in unsere Energieversorgung einmischt“, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“.

Doch der Appetit der Amerikaner, den Bündnispartner Deutschland an einer weiteren Front zu attackieren, scheint im Moment nicht groß, zumal sich die Motivlage verschoben hat. Mit Donald Trump haben die bisher geostrategisch begründeten Vorbehalte gegen Nord Stream2 eine stark kommerzielle Dimension bekommen. Denn die Amerikaner wollen eigenes Gas an Deutschland verkaufen. Vor wenigen Jahren noch auf Einfuhren angewiesen, haben unkonventionelle Bergbaumethoden wie das Fracking die Vereinigten Staaten gewaltige Ressourcen erschließen lassen und mit einer jährlichen Förderleistung von mehr als 750 Milliarden Kubikmetern an die Weltspitze katapultiert. Wegen fehlender Pipelines nach Europa muss das Gas allerdings auf Frachtschiffen transportiert werden, nachdem es zuvor in Terminals bei minus 160 Grad verflüssigt und um den Faktor 600 komprimiert wurde.

Das mit Abstand größte von vier Exportterminals für Flüssiggas (Liquefied Natural Gas, LNG) an der amerikanischen Ostküste steht derzeit in Louisiana. Als in diesem März 39 Senatoren aus den Reihen von Republikanern und Demokraten die Regierung aufforderten, Sanktionen gegen die Beteiligten von Nord Stream 2 zu verhängen, kämpfte Bill Cassidy, der Senator von Louisiana, wenig überraschend an vorderster Front. Belege dafür, wie sehr sich Deutschland Russland ausliefert, ließen sich genügend finden; etwa das Fehlen einer Hafen-Anlage hierzulande, die Flüssiggas aufnehmen, regasifizieren und ins deutsche Pipelinenetz einspeisen kann. Bis heute reagiert die deutsche Seite ausweichend auf derlei Vorwürfe. Dabei gäbe es mit Blick auf die russische Wertschöpfung auch eine alternative Sichtweise: Russland hat zwar 60 Millionen mehr Einwohner, erreicht aber gerade einmal 40 Prozent der hiesigen Wertschöpfung. Zudem ist der russische Staatshaushalt überproportional auf Energieexporte angewiesen. Wer liefert sich hier eigentlich wem aus, fragt ein ranghoher deutscher Energiemanager.

Permalink: https://www.faz.net/-gqe-9er2r

FAZ Plus Artikel: Sicherheit der Infrastruktur : Wie Norwegen künftig seine Pipelines schützen will

Norwegisches Gas ist für ganz Europa wichtig – die Pipelines sollen nun auch militärisch besser geschützt werden.

Russische Desinformation : Das Netz fluten und Chaos stiften

Der Druck durch russische Desinformationskampagnen wächst, und nicht nur die Corona-Protestszene nimmt die Propaganda bereitwillig auf. Wie konkret die Gefahren für die Demokratie durch Fake News tatsächlich sind, haben Experten nun diskutiert.

Krieg in der Ukraine : Selenskyj will Einfluss der russisch-orthodoxen Kirche beschränken

Das kremltreue Moskauer Patriarchat hat auch in der ukrainischen Kirche viel zu sagen. Das soll sich nun ändern. Außerdem sucht die Ukraine Transformatoren und tauscht Gefangene mit Russland aus. Die Nacht im Überblick.

Kurse und Finanzdaten zum Artikel

Ökonom zu Einwanderung : „Wir sollten nicht in einer Gastarbeiter-2.0-Debatte hängen bleiben“

WM-Aus für Deutschland : Böses Ende einer großen Fußballnation

Selbsttest Preppen : Auf der Gratwanderung zwischen guter Vorbereitung und Panikmache

Eingefrorene Vermögen : So viel Geld horten reiche Russen in der Schweiz

© Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH 2001 - 2021 Alle Rechte vorbehalten.

Pipeline Nord Stream 2: Doppelt so viel russisches Gas für Deutschland

Der große Kampf um das Gas

Die Pipeline Nord Stream 2 ist Amerika ein Dorn im Auge. Beteiligten Konzernen drohen Sanktionen. Doch Putin und die deutsche Industrie machen Druck. Entscheidend könnte etwas anderes sein.

Ein Fehler ist aufgetreten. Bitte überprüfen Sie Ihre Eingaben.

Vielen Dank Der Beitrag wurde erfolgreich versandt.